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Montag, 2. November 2015

Der Bub ist zu Hause


In meiner Jugend, so mit 16, 17 Jahren war vieles anders als heute. Ich will nicht behaupten es sei damals besser gewesen. Es war anders!
Kofferradios kamen gerade in Mode. Die Mädels trugen Petticoat und Pferdeschwanz, die Jungs Schlaghosen. Die Beatles waren noch nicht bekannt und der Twist gerade erfunden. Im Fernsehen gab es zwei Programme und die in Schwarz-Weiß. Farbfernsehen dauerte noch ein paar Jährchen.
Telefone waren ausschließlich im Haus mit Schnur und Wählscheibe. Auch die Tonbandkassette war noch nicht erfunden. Das ist alles sehr lange her.
Mit sechzehn bekam ich eine Zündapp KS 50 Super. Das waren die Kleinkrafträder mit großem Nummernschild. Der Führerschein dazu war die Klasse 4, den bekam man frühestens mit sechzehn. Sie fuhren ca 70 Stundenkilometer, und wenn man sie auffrisierte, konnte man um die 90 Sachen rausholen.
Es war die Zeit, als wir samstags um 24 Uhr zu Hause sein mussten. Sonntags und unter der Woche lief sowieso nichts.
Manchmal war mir das zu früh. Also musste eine List erfunden werden.
So kam es, dass ich mit meiner Zündapp gegen 23 Uhr in unseren Hof fuhr. Meine Eltern, die um diese Zeit im Bett lagen, hörten das. Im Haus wurden Jacke, Hose und Hemd gut sichtbar auf der Diele verteilt. Dies alles sollte signalisieren: »Der Bub ist Zuhause!«
Nun kam der geheime Teil. Ich zog in meinem Zimmer frische Klamotten an und schlich durch die Garage hinaus in den Hof. Meine KS 50 Super schob ich so weit, bis ich sicher war, dass meine Eltern das Gebrumm nicht hörten.
Es klappte vorzüglich.
Weit nach Mitternacht, manchmal auch erst in den Morgenstunden rollte ich mit meiner Zündapp ohne laufenden Motor in den Hof. Auf leisen Sohlen schlich ich mich durch die Garage, deren Tür ich beim Weggehen nur angelehnt hatte, zurück in mein Zimmer.
Sonntags kam dann die Ermahnung meiner Mutter, ich solle doch meine Klamotten nicht überall verstreuen, sondern sie in mein Zimmer mitnehmen.
Meine nächtlichen Ausflüge wurden nie bemerkt. Als ich viel später diese Eskapaden meinen Eltern erzählte, glaubten sie mir nicht.

Eines muss ich noch nachtragen. Die KS 50 Super hatte eine ernst zu nehmende Konkurrentin, nämlich die Kreidler Florett. So manches Rennen fuhren wir auf Waldwegen und abgelegenen Straßen, aber das ist eine andere Geschichte.