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Montag, 27. Februar 2017

Die Grenze zur Alpenrepublik

Der Bilderbuchmorgen begann um kurz nach 6 Uhr. Im Tal saßen ein paar Nebelfetzen fest. Opa Toni, der Vater des Hüttenwirtes, werkelte an einer Regentonne herum, die er mit roter und weißer Farbe anstrich.
Der gestrige Tag steckte mir noch in den Knochen.
Von der Diensthütte der Bergwacht kam ein aufmunternder Jodler herunter, den wir sofort erwiderten.

Nun lernten wir Johanna kennen, die gute Seele der Dammkarhütte und leibliche Schwester des Wirtes. Er selber war unverheiratet und schon seit ewigen Zeiten hier oben.

Das Frühstück ließ sich gut an und gereichte einem Bergsteiger zu allen Ehren. Wir langten kräftig zu.
Mit der ersten Fuhre der Materialseilbahn kam neben Getränkekisten und Lebensmittel ein Koffer hoch.

In aller Früh setzte unser Wirt, der übrigens Ludwig hieß, einen Funkspruch wegen der Mädels ab. Schon bald darauf hatte er ihren Klassenlehrer am Funkgerät im Tal.
Auf sein Geheiß schickten sie Sachen zum Anziehen für die verhinderten Berghexerl hoch, vor allen Dingen trittfeste Schuhe. All das kam nun mit dem Koffer an.

Wenig später erschienen die drei Amazonen frisch gekampelt in bergtauglichem Outfit auf der Terrasse.
Voller Ehrfurcht schauten sie hoch ins Dammkar, sahen die Diensthütte auf einem Felsvorsprung weit oben und fragten:
»Von da oben habt Ihr uns runtergeholt?«

Dann aßen sie erst mal mit gutem Appetit und wie das bei der Jugend so ist, die vergangene Nacht wurde kurzerhand zum Abenteuer erklärt. Nie und nimmer würden sie so leichtsinnig sein.
Jetzt hatten sie sogar richtige Bergschuhe an den Füßen.

Einer der Bergwachtler platze in die Runde und meinte, in einer halben Stunde sei Abmarsch. Er würde die drei Damen ins Tal begleiten und ihrem Klassenlehrer übergeben.

Als es Zeit zum Aufbruch war, bekam der Hüttenwirt noch ein Busserl von jeder auf die Backe, dann waren sie auch schon hinter einem Felsvorsprung verschwunden.

Opa Toni werkelte weiter an seiner Tonne und wir wollten der Diensthütte einen Besuch abstatten. Das hatten wir schon gestern Abend verabredet.
Wir schulterten leichtes Gepäck, nahmen Seil und Karabinerhaken mit und stiegen in den Fels.


Bis zum Nachmittag nahmen wir an einer Übung der hiesigen Bergwacht teil. Wir lernten eine ganze Menge übers Bergsteigen, über Bergrettung und Bergwetter. Unter Anleitung mussten wir ein Biwak  am Fels verankern. Das alles machte riesigen Spaß und wir schlugen uns tapfer, wie uns der Übungsleiter später glaubhaft versicherte.

Alles in allem ein gelungener Tag, der so nicht eingeplant war. Aber, wir hatten Zeit, die Olympiade dauerte noch ein paar Tage und wir wollten unter keinen Umständen zu früh in München sein.

Am späten Nachmittag saßen wir wieder auf der Terrasse zusammen. Ein paar Ausflügler traten den Abstieg nach Mittenwald an.

Opa Toni saß die ganze Zeit mit seinem Fernglas abseits von uns immer wieder umringt von ein paar Tagestouristen. Allesamt schauten sie, ob mit oder ohne Feldstecher, hinauf auf einen Felsgrat, auf dem die Grenze zu Österreich verlief.

»Des san scho Hund, die Österreichischen!« Dabei deutete Opa Toni hinauf auf den Grat.
»Habt ihr’s g’sehn? Die beobachten uns ganz genau!
Jetzt hat er sich wieder bewegt, der Grenzer!«


Er bekam allseits Zustimmung. Alle sahen den österreichischen Grenzer ganz droben direkt unter dem Gipfel.
Hüttenwirt Ludwig schmunzelte und Johanna meinte nur:
»Geh weiter, es g'langt jetzt!«

Danach löste sich die kleine Gruppe um Opa Toni auf und er kam zu uns rüber an den Tisch. Schelmisch grinsend meinte er zu mir, ob ich ihm helfen würde morgen früh die neue Tonne nach droben zu bringen um sie gegen die alte auszutauschen. Die Farbe bei der da droben sei schon ziemlich abgeblättert.

»Schon seit Jahren«, so erklärte mir Johanna, »macht sich mein Vater einen Schabernack daraus, ein paar allzu vorwitzige Sommerfrischler zu derblecken!«

So erfuhr ich, dass Opa Toni eine rot-weiß-rot angestrichene Tonne unter den Gipfel auf einen Felsvorsprung schleppte und daran einen alten Karabiner befestigte.
Dann setzte er sich, wenn genug Gäste auf der Terrasse weilten, mit seinem Fernglas hin und schaute nach oben.
Recht bald hatte er Mitgucker, die ihm auf den Leim gingen.
Er erzählte die schauerlichten Geschichten von ruchlosen Grenzern, verwegenen Wilderern und todesmutigen Schmugglern.

Dann meinte ich noch zu Opa Toni, ob wir morgen früh nicht die zweite Tonne neben die bereits oben platzierte stellen sollten. Zwei Grenzer wären allemal besser als einer.
Mein Vorschlag wurde freudig vom Alten aufgenommen.
»Des mach mer, ich nehm Farbe mit, dann streichen wir die Tonne oben auch frisch an!«

Johanna meinte lapidar zu meinem Vorschlag.
»Jetzt ham wer schon zwei Spinnerte!«

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