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Samstag, 4. März 2017

Die Lektion

Mit meinem R4 steuerte ich die Eng-Alm an. Diesmal sollte es aber nicht auf die Lamsenjochhütte gehen, sondern gen Westen zur Falkenhütte über den kleinen Ahornboden weiter zum Karwendelhaus. Dieser Weg, so dachte ich mir, sei den frisch gebackenen Alpinisten angemessen.

Es wurde eine lebhafte und lustige Fahrt. Die Herrschaften sprühten vor Unternehmungsdrang und Georg gab den Vorbeter.
Ich warnte sie schon mal, sie sollten den Aufstieg nicht so garch angehen und mit ihren Kräften haushalten.

Georg sprach schon von diversen Steigungen, Querungen und Seillängen, so als ob er Luis Trenker Konkurrenz machen wollte.

Man muss sich vorstellen, alle drei, mein Vater, Georg und Jakob, waren noch nie zu Fuß in den Bergen unterwegs.
Aber die große Klappe, zumindest beim Georg war schon da. Dabei traute ich mich wetten, dass gerade er am ehesten schlapp machen würde.
Jakob war mehr der Introvertierte. Er hörte sich die Sachen an und dachte seinen Teil.
Mein Vater war von allen der Ungeduldigste. Kaum waren wir aus dem R4 geklettert, schon schulterte er seinen Rucksack und stürmte los.
»Halt!, tu langsam, Du weißt doch gar nicht, wo es lang geht!«
Papa blieb einige Meter vor uns stehen, stütze eines seiner Beine auf einem Findling ab und signalisierte uns durch seine Körpersprache: »Jetzt macht mal ihr Krücken, ich will weiter!«

Ich kramte meine Bergschuhe hervor, dann zog ich erst mal die handgestrickten Socken über, bevor ich in die Schuhe schlüpfte.

Meine Begleiter hatten ihre funkelnagelneuen Bergschuhe schon in München angezogen. Auch trugen sie die sündhaftteuren »Bergsteigersocken mit Fußschweißregulierung«!

Georg befestigte, für jedermann sichtbar, seine Steigeisen seitlich am Rucksack.
»Die braucht es bei der Tour nicht!«, wand ich ein. Vergebens.
»Man weiß nie!«, bekam ich zur Antwort.


Dann kramte er noch ein Zehnmeterseil mit an beiden Enden bestückten Karabinerhacken hervor und drapierte es zu oberst.
»Was willst denn damit?«, rutschte es mir heraus.
Sie kennen die Antwort von Georg schon: »Man weiß nie!«

Mit einem »Aufgeht’s!«, begannen wir unsere Tour.

Der Wegweiser »Hohljoch – Falkenhütte 2 1/2 Std«, war nicht zu übersehen.
Erst mal ging es sanft ansteigend vorbei an den Almhütten. Das Panorama am Ende des Talkessels war gigantisch schön. Das Wetter passte, der Himmel war sowas von blau, da musste jeder Griechenlandurlauber vor Neid erblassen.

Es ging höher und die Steigung des ausgetretenen Pfades nahm zu. Papa stürmte vorneweg, dahinter mit einigen Metern Abstand Hochalpinist Georg mitsamt Steigeisen und Kletterseil. Ich machte hinter Jakob den Abschluss.

 


Zwei Bergfexe, die uns entgegenkamen, fragten wir, ob die Falkenhütte recht überlaufen sei. Sie meinten, das sei nicht der Fall, aber für den danebenliegenden Gletscher sei, wegen der vielen Extremkletterer mit Steigeisen, die Route gesperrt.
Mit einem breiten Grinsen wünschten sie uns ein »Berg heil« und Georg verstaute daraufhin seine Steigeisen mitsamt Seil im Rucksack. Das Kilo mehr, erst am, dann im Rucksack, hätte er sich sparen können.

Es ging stetig weiter. Immer wieder blieben wir ob der überwältigenden Bergkulisse stehen. Mein Vater war jetzt schon an die hundert Meter voraus.
»Der Willem rennt immer vorneweg!«, meinte Jakob, während Georg erst mal ausgiebig Luftholen musste.

Nach gut 1 ½ Stunden standen wir am Hohljoch und sahen weiter im Westen die Falkenhütte. Aber erst mussten wir einige Höhenmeter runter und querten ein steiles Geröllfeld am Fuße der Laliderer Wände. Dann ging es wieder hinauf und wir erreichten die Falkenhütte auf dem Spielissjoch.

 
Insgesamt brauchten wir gut 3 ½ Stunden für den ganzen Weg. Für den Anfang eine gute Leistung.

Mein Vater war schon zwanzig Minuten eher am Ziel.
Ich bekam so eine Wut in den Bauch, als er uns mit süffisantem Lächeln hinter einem Weißbier von der Terrasse zuwinkte.

Auf der Stelle stellte ich ihn zur Rede.
»Das kannst Du im Odenwald machen! Hier in den Bergen bleiben wir zusammen, egal was kommt! Wenn das noch einmal passiert, kehre ich um, dann könnt Ihr alleine eure Tour fortsetzen!«

Jakob Schaute recht bedröppelt in eine andere Richtung und Georg nestelte eher unbeholfen an seinem Rucksack herum. Dann ließen wir uns jeder ein Weißbier schmecken.

Die »Bergpredigt« half, zumindest für die nächsten Tage. Mein Vater stürmte nicht mehr voraus.

Wie ich von vielen späteren Bergtouren von Ihm weiß, war er immer der, der das Zusammenbleiben in einer Gruppe, in einer Seilschaft anmahnte.

Der Berg erzieht seine Menschen.

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