Liebe Freunde, wenn Sie Texte aus meinem Blog verwenden,
bitte geben Sie den Autor an, sonst ist es geistiger Diebstahl.

Donnerstag, 11. Mai 2017

Urlaub mit der Familie


Mein Vater schaffte sich einen Manta an. Richtig gelesen, einen dunkelgrünen Opel Manta. Als selbstständiger Handwerker, genauer Bezirksschornsteinfegermeister, kaufte er sich alle zwei Jahre einen neuen Opel.
Irgend ein Depp musste ihm den Manta aufgeschwatzt haben.

Aber, das wollte ich gar nicht erzählen.
Viele selbstständige Handwerker kauften sich damals alle zwei Jahre ein Auto, musste ja nicht unbedingt ein Opel sein. Das war überhaupt nichts Besonderes.

Aber, dass ein Student mit seinen Eltern und seinen Großeltern väterlicherseits gemeinsam in Urlaub fuhr, das war was Besonderes!

Unfreiwillig war das nicht.
Es war knallharte Kalkulation. Zwei Wochen keinen Pfennig selber zahlen, war zu verlockend.

Als wir irgendwann im Spätsommer mit zwei Autos von zu Hause losfuhren, bestand mein Großvater väterlicherseits darauf, mit mir im R4 mitzufahren. Papa steuerte seinen Manta mitsamt meiner Mutter und meiner Großmutter, natürlich auch väterlicherseits, gen Süden.

Opas Begründung: Einer müsste mich ja während der langen Fahrt unterhalten, damit ich nicht hinter dem Steuer einnickte.
Doch, »einnickte« sagte er wortwörtlich, dass weiß ich hundertprozentig. So was prägt sich ein.

In Anbetracht eines komplett kostenfreien Urlaubs schluckte ich die Kröte und hoffte inständig, dass es nicht allzu schlimm kommen würde.
Es kam schlimmer!

Pausenlos wurde ich mit irgendwelchen Onkeln und Großneffen, Tanten und Schwippschwagern traktiert. Die gesamte Ahnengalerie der Verwandtschaft wurde in meinem R4 episch ausgebreitet.
Zaghafte Versuche meinerseits, Opas Redeschwall einzudämmen, scheiterten kläglich.

Ich konnte nie leiden, wenn mich irgend eine Labertasche während der Fahrt vollquatschte.

Die geniale Idee das Autoradio anzumachen war suboptimal, ich hatte gar kein Radio im R4.

Die lange Fahrt in den Süden via Würzburg und Nürnberg rüttelte gewaltig an meinem Nervenkostüm. Auf der Salzburger Strecke dünnte Opa’s Redeschwall merklich aus. Er fing auf dem Beifahrersitz zum Pennen an. Ich atmete auf und dankte meinem Schöpfer für die Ruhe, auch wenn ich sonst schlafende Beifahrer nicht ausstehen konnte.
Wir bezogen Quartier auf einem Bauernhof in Vorderbrand, Gemeinde Schönau am Königsee.

Ich stellte meinen inzwischen wieder vollbetankten R4, Opa zahlte, hinter den Holzschuppen und schwor mir, während der kommenden 2 Wochen keine einzige Runde damit zu drehen.
Ich kann es vorwegnehmen, ich hielt meinen Schwur!

Marei, die Bäuerin schloss mich sogleich in ihr Herz, dass unter einem wogenden Busen nur Güte und Gemütlichkeit verströmte. Steffi, der Bauer war ein liebenswerter Hallodri, dem der Schalk bei jeder sich bietenden Gelegenheit aus der Seele sprang. Wir verstanden uns blendend.

Dabei arbeitenden die beiden hart auf ihrem Hof. Die wenigen Fremdenzimmer waren ein gern gesehenes Zubrot.
Zum Ende der Saison waren wir die einzigen Gäste.

Zur Begrüßung kam Kaffee und Kuchen auf den Tisch. Mareis Gugelhupf war ein Gedicht. Gleich danach gab’s einen selbstgebrannten Obstler. Dann gingen beide in den Stall und wir konnten uns von den Strapazen der Fahrt erholen.

Mein Vater, inzwischen mit dem Bergsteigervirus infiziert, schielte immer wieder hinüber zum Watzmann, der sich in der Spätnachmittagsonne in sanften Ockerfarben präsentierte.
Rechts der Watzmann mit seinen drei Gipfeln, links der kleine Watzmann, dazwischen die fünf Watzmannkinder von Norden gesehen

»Wann mach' mer ihn?«, fragte er mich.
»Die Tage!«, antwortete ich knapp.

Sonderliche Lust dazu hatte ich momentan keine. Für meinen Vater war es natürlich unvorstellbar 2 Wochen mit Direktblick zum Watzmann Urlaub zu machen und ihn nicht zu besteigen. Das war mir von vorneherein klar.

Am ersten Abend saßen wir in gemütlicher Runde in der guten Stube, verputzten eine ordentliche Brotzeit mit Speck, Leberwurst und Käse, alles echt hausgemacht. Papa redete die meiste Zeit über unsere Watzmann-Tour, konnte aber bei Steffi damit keinen Eindruck schinden.

S' Marei erzählte über Ihren Hof, während der Bauer mit mir zusammen eine Flasche Bier nach der anderen verlötete. Die holten wir gleich um die Ecke aus der Abstellkammer.

Zur genauen Abrechnung, so schlug Steffi vor, sollte ein jeder die Kronkorken seiner Bierflaschen in die Hosentasche stecken, dann würden wir alle die Übersicht behalten.
Eine geniale Idee, so einfach und doch so effizient!

Als ich kurz vor Mitternacht nach oben in mein Zimmer ging, zählte ich 7 Kronkorken, wobei ich eine dem Steffi spendierte, ich musste ja nicht zahlen.

Ich schrieb oben bewusst »ging«. Obwohl ich den einen oder anderen selbstgebrannten Obstler verkonsumierte, war ich durchaus noch Herr meiner Sinne und Herr meiner Füße, die ja bekanntlich in Bayern bis ganz nach oben gehen.

Keine Kommentare: